18.07.2010

Verblendungszusammenhang I

"Wenn Sie im Seminar oder der Vorlesung mehr als zweimal nicht anwesend waren, kann ihnen kein Schein ausgestellt werden." 

Ich hoffe ja insgeheim, dass man sich des Witzes hinter solch einem Satz bewusst wird. Reden wir über Anwesenheitslisten an der Universität. 

Auf diesen Listen, die nicht in allen Disziplinen gebraucht werden, aber in vielen, müssen sich Studenten eines Seminars oder einer Vorlesung regelmäßig eintragen, um damit nachzuweisen, dass sie anwesend waren und nicht etwa - aus irgendwelchen Gründen - nicht anwesend. Wie aber kommt es wohl dazu, dass man solche Listen für nötig befunden hat? 

Ich denke mir das in etwa so: zunächst registrierte man schlicht und einfach, dass immer weniger Studenten die Seminare etc. besuchten, dafür dann aber einen Schein bekamen. Das macht die Vergabe von Scheinen als Formulare, auf denen eine Leistung (bürokratisch) ausgewiesen wird, natürlich etwas schwierig, denn wenn man einen solchen Schein bekommt, und nie da war, dann bekommt ihn für lau; damit ist dann nicht mehr garantiert, dass man wirklich ausgebildet wurde und hier sind wir schon beim Problem der Sache: wie stellt man nun sicher, dass die Leute wirklich ausgebildet worden sind? 

Dem vorrausgehend ist aber die Definition dessen, was man als Ausbildungs-Leistung definiert. Gewöhnlich nimmt man an, dass beispielsweise Kommentare in den Seminaren seitens der Studenten eine solche Leistung sind, denn diese Kommentare werden ja von den Dozierenden/Lehrenden durch Rückmeldung bereits einer Bewertung unterzogen, gegebenenfalls einer Korrektur und somit findet eine Bildungserziehung statt. Auch Hausarbeiten, Vorträge, Essays oder sonstiges stellen eine solche Leistung dar. Aber als die Anwesenheiten der Studenten im Seminar rückläufig wurde (ich nehme an, so zwischen 1980 und 200o), fielen die zu bewertenden Subjekte quasi immer mehr weg, wurden also nicht mehr nachweislich überprüfbar in den Seminaren ausgebildet, was doch aber ein wesentlicher Teil der akademischen Ausbildung ist und überhaupt einen Kern aller akademischen Ausbildung ausmacht. 

Freilich fragt man selten, wieso die Studenten nicht mehr in den Seminaren erscheinen. Man sucht nicht nach dem Grund, sondern findet gleich eine Lösung: verpflichtende Teilnahme, umgesetzt in Anwesenheitslisten, auf denen man regelmäßig sein Kürzel hinterlassen muss, womit gleichsam der Nachweis der Anwesenheit erbracht ist und zudem sichergestellt, dass die Ausbildung auch tatsächlich wie vorgesehen stattgefunden hat. Allerdings wird nichts so strikt reglementiert, wie die Anwesenheit: in einer Hausarbeit dürfen mannigfaltige Fehler gemacht werden, ein Referat kann von völlig Unfähigen gehalten werden und Kommentare und Diskussionen können völlig frei bloßer Meinungsaustausch werden: bewertet werden muss nur noch die Anwesenheit dieser Tage. 

Aber welches Problem liegt denn wohl hinter dieser seichten Abwanderung der Studenten aus den Seminaren? Meine Hypothese: man lernt schlicht nicht mehr allzu viel in den Seminaren, es ist eher Zeitverschwendung als Ausbildung und Zeit ist knapp, vor allem wenn man arbeiten muss oder vielleicht einfach chillen will. Denn sich sinnentleerte Dinge anhören zu müssen ist nicht bloß anstrengend, man kann von manchem Geschwalle auch wirklich Kopfschmerzen bekommen und eine Art Zwang, sich zu langweilen, kann ernsthafte Folgen haben. Was ich sagen will: es ist ein Problem der Qualität der Bildung durch die Seminare und also ein Problem der Qualität der Ausbildung. Die Quelle diesen Problems sind nicht die Studenten, denn sie bilden sich ja nicht selbst aus, sondern sollen durch Lehrende ausgebildet werden. Und wie löste man dieses Problem? 

Man machte Anwesenheitslisten. Man verpflichtet einfach jeden zur regelmäßigen Teilnahme und verdeckt damit einerseits das Problem der abnehmenden Qualität der Bildung, verschiebt es aber auch gleichzeitig ausschließlich auf die Studenten, so als würde niedrige Qualität der Bildung bei den Auszubildenden beginnen, nicht bei den Ausbildenden. Man kann als Lehrender an der Universität damit ein noch so schlechtes, noch so falsches Seminar halten und wird nur sehr selten auf die Idee kommen, die eigenen Seminare wären qualitativ minderwertig. Und selbst wenn man diese Idee hatte, muss man nichts verändern, denn eine Rückwirkung der Studenten auf die Qualität der Bildung findet nur noch durch "Evaluationsbögen" am Ende der Semester statt und diese Bögen sind selbst eine Blendgranate. Ausser Furst oder Hochachtung abzulassen, haben sie keine geregelten weiteren Folgen. Und wenn die Ergebnisse der Bögen zu schlecht ausfallen, lässt man einfach das letzte Seminar des Semesters ausfallen und muss sich so nicht mehr mit den schlecht-bewertenden Studenten auseinandersetzen: aus den Augen, aus dem Sinn. 

Das wirklich witzige dieser Sache ist aber in der Tat, dass man das Wegbleiben der Studenten in den Seminaren als eine Ursache rationalisiert hat, obwohl es eine Wirkung ist ("Man lernt nichts mehr") und dann einfach alle zu dieser schlechten Bildung verpflichtet, so als ob dadurch die Qualität der Ausbildung steigen würde. Man hat das qualitative Problem in ein rein quantitatives verwandelt, denn was zählt ist nicht mehr, wie gut du denken kannst und wie fähig du bist, sondern wie oft du anwesend warst: wenn du 4-5 Jahre am Stück einfach immer nur anwesend bist, grundsätzlich nichts sagst, Referate und Hausarbeiten ohne jede Reflektion einfach so ausführst, wie man es dir vorschreibt, bist du heute äquivalent zu solchen Studenten, die sich bemühen kritische Reflektionen zu betreiben (was gefährlich werden kann an der Universität...), nebenbei arbeiten und/oder politisch aktiv sind, intensiv außerhalb der Universität sich die Bildung, die ihnen die Universität nicht mehr bietet, die sie sich also selbst machen, was gleichsam nirgends mit in deine Ausbildung zählt usw.. Zeittechnisch gesehen ist es damit viel logischer, wenn man als Student an der Universität heute nicht mehr über den Tellerrand schaut, denn dieser Teil einer intellektuellen Ausbildung ist dank der Anwesenheitslisten gar nicht mehr von belang: Leistung ist dort heute einfach Anwesehenheit,  und das meint auch lediglich physische Anwesenheit. Du musst einfach nur 4 oder 5 Jahre sitzen, und dann bist du ausgebildet, du musst die 4 oder 5 Jahre nur das wiedergeben, was man dir vorschreibt. Du lernst nicht, wie man denkt. Du lernst, wie man es macht, dass man nicht mehr denken muss: man erklärt eine Wirkung zur Ursache und verplfichtet dann alle dazu, sich der Lösung des "ursächlichen" Problems zu verschreiben, mittels einer Lösungsmethode, die gar nicht nach Gründen gefragt hat, sondern sich nur um die Konstinuität des Status-Quo bemüht hat. 

"Wenn Sie im Seminar oder der Vorlesung mehr als zweimal nicht anwesend waren, kann ihnen kein Schein ausgestellt werden." ist ein Satz, der anzeigt, dass diese Kontinuität gar nicht stattgefunden hat und aufgehört hat, stattfinden zu können. Es war nötig, es so zu tun. Der ganze kleine Bruch innerhalb des akademischen Ausbildungssystems, denn man zu überblenden versucht, würde sofort (vielleicht desaströs) sichtbar werden, würde man diese Listen aussetzen. Das würde übrgiens durch die angenehme Folge begeleitet werden, dass die Überfüllung der Universitäten gar kein Problem mehr wäre. Insofern sind diese Listen, dank ihrer Methodologie, ein enormer Kostenpunkt, weil der Zwang zur Anwesenheit mit Räumen umsorgt werden muss und diese Räume kosten extrem viel Geld. Die Infragestellung dieser Listen (man versuche sich in einem solchen Experiment!) ist zudem ein Politikum, dass weit über das Problem der bloßen Sinnhaftigkeit und Sicherstellung der akademischen Ausbildung hinausreicht, weil man das Qualitätsproblem schlicht in die Autorität des Ausbilders eingeschrieben hat: diese Listen in Frage zu stellen, stellt den Machtgebrauch der ganzen Instiution in Frage, weil durch sie eine Abhängigkeits- und Unterwerfungsbeziehung zur Institution etabliert wird, innerhalb derer die bloße Anwesenheit auf Lehrveranstaltungen die Macht der Ausbilder garantiert - und nicht mehr der Intellekt der Ausbilder diese Macht erst produziert. Die Diskontinuität besteht darin, dass die Ausbildung durch fähige Ausbildersubjekte als Verblendungszusammenhang hervorzubrechen drohte, weil die Unfähigkeit der Ausbildersubjekte sich in der Abwesenheit der Studierenden zu zeigen drohte, was die ganze Methode akademischer Ausbildungen gefährdet hat. Die Existenz von Anwesenheitslisten und Evaluationsbögen ist schlicht die Fortsetzung des Bruches innerhalb der Ausbildungsmethode, denn es drohte die Qualität der Ausbildungsmethode sehr weit herabzusinken, ja fast nichtig zu werden. Und fraglos hätte das retrospektiv alle jene in Frage gestellt, die Titel und Grade in dieser Ausblidungsmethode erlangt haben. 

Das ganzen Völker von Akademikern haben ihre pädagogische Unfähigkeit, eine gute Ausbildung leisten zu können, deren hohe Kosten gerechtfertigt wären und deren Sicherheit garantiert wäre, durch diesen simplen Disziplinierungsmechanismus der Anwesenheitspflicht gerettet und retten müssen.  Diese Listen sind die zu Wasser gelassenen Rettungsboote, nachdem offenbar wurde, dass das Schiff doch sinken kann und die Wände ziemlich dünn sind. SIe überblenden das Problem, dass man nicht mehr in der Titanic lernt, sondern auf einem klapprigen Holzfloß. Und sie befähigen nur noch zu den nautischen Fähigkeiten der Beherrschung klappriger Holzflöße, verblenden aber darin, dass sie auf dieses Holzfloß "Titanic" geschrieben haben. So wird nun also jedes klapprige Floß als Titanic ausgegeben und niemand kann mehr größere Schiffe als Holzflöße führen, denn dafür gibt es ja gar keine Ausbildung mehr. Alles, was also größer als dieses Floß erscheint und von einem wirklich fähigen Kapitän geführt werden kann, muss schlicht erst einmal auf Holdfloß-Größe heruntergebrochen werden - oder aber ganz vernichtet, ob des Bruches mit den Traditionen der Holzfloßfahrer, insbesondere der Tradition, dass niemand intellektueller sein kann als jene, die auf Holzflößen gesessen haben.

Das absurde daran ist, dass wir die Holzflöße mittlerweile für Raumschiffe ausgeben und ernstlich damit experimentieren, völlig unfähige Kapitäne zur Rettung verschiedender Menschheiten ins All zu schicken und uns darauf verlassen, dass die unsere Probleme schon lösen werden. Das sind ja schließlich alles Experten! Und Forscher! Und Professoren! Die haben doch alle auf der Titanic gelernt! Aber von wo aus erzählt man eigentlich pausenlos, dass die Titanic noch existierte, dass sie noch nicht gesunken wäre? Von der Titanic aus erzählt man das oder dann, wenn man über die Titanic redet.

Weil es keine Titanicen mehr gibt, halten wir alles für Titanic, was bloß wenigstens kurzzeitg zu schwimmen scheint. Und so bilden wir uns aus: wir tauchen nicht auf die Gründe der Meere, wir springen von sinkendem Schiff zu sinkendem Schiff. Wer die geradeste Linie springt, gewinnt. Wer sich eigene Schiffe bauen will, verliert, denn das darf man erst, wenn man einmal gerade durchgesprungen ist. Wer auf Inseln verweist, wird verhöhnt: "Wir haben die Titanic. Wir brauchen keine Inseln." Wer erzählt, die Titanic ist gesunken, vor langer Zeit schon, wird als Ketzer denunziert, als Nestbeschmutzer und Netzverhunzer. Wer auf all diese Gedanken gar nicht erst kommt, bekommt am Ende des Holzweges den Titel und den Grad eines Intellektuellen.  

12.07.2010

Lehrer und Schüler

Heute habe ich gelesen, man plane in GB Lehrern irgendwie mehr Rechte auf physische Gewalt gegen Schüler einzuräumen. Damit das, was da anscheinend schon passiert, nicht mehr so häufig rechtswidrig ist, nehme ich an. Und natürlich, weil 35 Schüler in einer Klasse nur noch recht schwer durch Faszination zu belehren sind und überhaupt die beste Lernform sicherlich nicht tägliches, 6-8 stündiges Zuhören ist. Und wenn der Redende dann auch noch keinen Respekt verdienen kann (das soll die Initiative wohl bewirken: mehr Respekt...) vor seinen Schülern, ist gar keine Katze im Raum und es geht eben los mit den Mäusen. Ich denke allerdings, dass es nicht sehr klug ist, solch ein Gesetz zu verabschieden, denn erstens, wird der Respekt auf Seiten der Lehrenden dadurch nicht erhöht (denn Respekt kann man nicht vorschreiben, denn vorgeschriebener Respekt heißt Gehorsam), sondern der Disrespekt gegen Lehrer auf Seiten der Schüler wird dadurch eher ausgeweitet, weil die ohnehin schon nicht sehr stark respektierten Menschen dadurch noch disrespektabler wirken, wenn sie sich qausi auf "die große Mutti" berufen müssen (schon wieder), um noch was im Griff zu haben. Noch gefährlicher, denke ich, ist aber der Umstand, dass manch Lehrer sich dann vielleicht eher ermutigt fühlt, wirklich irgendwie "physische Gewalt" anzuwenden (denn wieviel Interpretationsraum bietet das!?) und dann könnte es sehr bedrohlich für ihn werden: gleichwohl ich nicht denke, dass gewaltbereite Schüler so geboren werden, denke ich doch, dass deren, heute recht intensive, Gewaltbereitschaft durch eine Recht auf "physischen Gewalt" seitens des Lehrers den Kessel noch mehrzum Brodeln bringt; nur sind die Schüler vielleicht viel gewandter in diesen Dingen, in denen Lehrer quasi-natürlich selten bewandert sind: das Gesetz könnte die Gefahr für Lehrer also eher noch erhöhen. Und damit liegt es Nahe, anzunehmen, dass man hier wieder einmal nichts besseres wusste, als relationale Probleme der Gesellschaftsorganisation (Schule-Schüler-Lehrer-Wirtschaft-Kriminalität) als Verantwortung einzelner, bestimmter Subjekte zu postulieren (Lehrer-Schüler) und einfach wieder einmal weiter so zu tun, als ob Schule an sich und Organisation von Schule in Gesellschaften rein gar nichts mit Kriminalitäten und Gewalt zu tun hätte, also mal wieder einen auf heilige Kuh gemacht, die um Himmelswillen nicht und nirgends anrüchig wäre. Und damit hat man meines Erachtens nach den Lehrern keinen Gefallen getan, eigentlich hat man ihnen einmal mehr in das Gesicht gespuckt, weil man nämlich es so verkauft, als ob die Lehrer bloß ein bisschen zu Luschi-mäßig wären (also wieder einmal kein Problem von Relation und Organisation) und ein bissi paternalistische Rechte bräuchten, damit es endlich wieder richtig läuft, als wäre es nur eine Sache zwischen Lehrern und Schülern. Genau daran erkennt man auch, dass die wenigsten Bildungspolitiker Ahnungen von Schule als Institution haben und im Grunde, ebenso wie der heutige FInanzmarkt, in ihrem System völlig abgehoben von der tatsächlich stattfindenden und wirkenden Realität ausgehen, in der Lehrer eben bloß bissi mehr Recht bräuchten und dann wäre der Schinken gepökelt. Wahrhaftig aber bringt man Lehrer damit in Gefahr, Schüler ebenfalls, und versetzt beide in eine noch prekärere Lage und alles aus leichter "Pietät" gegen diesen Kasten namens Schule, der auch schleichend allen unterstellt: "Ohne mich wäret ihr nichts und wüsstet ihr nichts!". Und heute fügt er hinzu: "Ihr seid zu ungehorsam, ich brauche mehr physische Gewalt gegen euch, damit ihr was lernt, denn sonst werdet ihr alle wie die Assis, die ich brauche, um 5er und 6er und Ritalin an den Mann zu bringen!". Wahrhaftig ein paranoider Schizo, die Schule... 

02.07.2010

Über eine Form von Politik

Es entbehrt einger Ironie nicht, wenn man sich selbst irgendwann plötzlich innerhalb politischer Kontexte wiederfindet. Manchmal kann das sogar gruselig sein.

Ich bin sehr dafür, nicht bloßß Wissenschaften in Frage zu stellen, sondern die Grundlagen, auf der Wissenschaften bauen; man nennt dies ihre Episteme, also das jenige Sammelsurium von Wissen, aufgrund dessen eine Wissenschaft den Anspruch erhebt "was hier gesagt wird, ist wahr". Die fundamentalen Erkenntnisse, die Erkenntnisse, die als "gesichert" gelten und auf denen alles weitere fußt: so etwas nennt man Epistem.

Erwähnte Ironie wird absurd, wenn man aufgrund solcher Infragestellungen mehr oder weniger dazu gezwungen wird, politisch sich zu bekennen, oder mindestens die Zwänte wahrnimmt, dass ein politisches Bekenntnis Not tut, ja in dem, was man fragt, impliziert ist. Frucht eines solchen Weges ist die erstmal nutzlos Erkenntnis, dass Spezifikation und Intellektuallität keine Referenz für politische Neutralität ist; ja das Gegenteil ist vielmehr der Fall, und das wird jedem leicht ersichtlich sein: wenn ich sozialdarwinistische Theoreme verfolge, dann habe ich damit ein (durchaus fragwürdiges) politisches Statement abgegeben, nämlich jenes Statement, es gäbe lebenswertes (biologisches) Leben und, dem gegenüber, lebensunwertes Leben; verfolge ich solche Theoreme, bekenne ich mich definitiv zu einer Politik, die die Durchsetzung der impliziten Interessen (Ausrottung lebensunwerten Lebens) verfolgt. Ebenso positioniere ich mich, wenn ich Wissenschaft als solche und alle an sie gebundenen Instanzen und Institutionen in Frage stelle, in Frage stelle bezüglich nicht nur ihrer politischen Ausrichtung ("Lass uns ein paar Menschen konditionieren"), sondern ihrer sämtlichen ethischen Implikationen. Und da steht man dann plötzlich, weil man sich etwas gefragt hat, vor einem ganz anderem Problem, nämlich dem der ethischen Folgen von Wissenschaft. Wir brauchen hier nicht die dunkelsten Menscheitskapitel auszugraben (gleichwohl es lohnt), um zu verstehen, dass Wissenschaften und Forschungen ethisch mehr als zweifelhaft sein können; wenn dem aber so ist, so heißt dies, dass in Wissenschaft und Forschung diese Möglichkeit selbst gegeben ist: sie kann sich für unterirdischste Zwekce instrumentalisieren lassen und man sei hier nicht so naiv anzunehmen, dass diese Fragwürdigkeiten in einem Zeitalter wie von selbst offenbar seien oder in den Zeitungen publiziert würden: wenn überhaupt, so kann man in den Zeitungen sehen, WAS diskutiert wird und WIE es diskutiert wird; niemals aber sieht man, was die ethischen Auswirkungen in der Zukunft sein werden, denn es gibt kein Hellseher.

Die Wissenschaften in Frage gestellt, die "Dienstbarkeit der Intellektuellen" als ethisches Problem verstanden, dies führt dazu, dass man sich selbst als ein politisches Subjekt konstituieren muss. Aber, und das ist die Frage, woher kommt das wohl?