06.09.2010

Ein Internettag

An manchen Tagen ist es für mich ein Wunder, mich einfach im Web zu verlieren. Diese Tage sind grundsätzlich nicht geplant, sie passieren sowas wie zufällig. Meistens beginnt es mit völlig uninteressanten Artikeln, die ich lese, in denen ich dann etwas lese, was ich nicht verstehe, was komisch klingt. Und dann wird nachgeforscht. 

Heute habe ich mich einmal mehr mit Aids-Dissidenten beschäftigt. Ein wahrhaft spannendes Thema! Schon die bloße Tatsache, dass es wohl in der Geschichte der Medizin nie Krankheiten gab, zu denen man sich "dissident" verhalten konnte, ist für mich erstaunlich. Dissidenz ist ein politische Haltung, die sich mit allerlei Dingen vermischen kann und das auch immer tut. Aber gab es denn schon einmal Schnupfen-Dissidenten? Gab es Pest-Dissidenten (in entsprechenden Begriffen der Zeit)? Gibt es Krebs-Dissidenten? Gibt H5N1-Dissidenten? Habe ich noch nie gehört. Die Aids-Dissidenten aber sind eine wahrhaft merkwürdige Gruppe von Menschen, nicht weil ich sie für wahnsinnig halten würde oder ähnliches, sondern weil sie wirklich Teil eines sehr bemerkenswerten, allerdings kaum wahrgenommenen Diskurses sind. Wikipedia bietet hierzu einen fast witzigen Einstieg: hier nennt man diese Gruppe Aids-Leugner . Man muss sich, finde ich, bei Wikipedia immer die Diskussionen anschauen; dort ließt man weitaus besser, als in dem bloßen Artikel. Mithin sind die Artikel für mich nur noch Beiwerk zur Diskussion. Richtig interessant, aber ein Arsch voll Arbeit, ist die jeweilige History eines Artikels. Was mit welcher Begründung gelöscht wurde: der Gerichtshof und das Beiblatt eines öffentlichen Diskurses ist das für mich. Der Artikel der Aids-Leugner hat sowohl in der deutschen wie auch in der englischen Version in der Diskussion schon öfter zu dem "Titel" geführt, der polemischste und schlechteste Artikel der gesamten jeweiligen Wikipedia zu sein. Man kann in den Diskussionen dieser Artikel eines der größten Probleme der Wikipedia sehen, das Problem der (politischen) Neutralität. Und noch ein weiteres, sich sehr weit ausdifferenzierendes Problem (wer suchet der findet), nämlich das Problem der Verwendung wissenschaflticher Quellen als Evidenzen. Ein Wahnsinnsproblem wird das bei all jenen Themen, die auf je ihre Weise irgendwie die Wissenschaft als Institution selbst in Frage stellen. Damit kann die Wikipedia so wenig umgehen wie mit der Tatsache, dass es unmöglich ist im Internet nicht politisch zu sein. So wie es für manche Menschen eine politische Haltung ist, kein Handy zu benutzen, so ist es für andere eine politische Haltung, kein Internet zu benutzen. Für wieder andere ist das Arbeiten im Internet selbst eine ganze politische Philosophie. Und auch eine Enzyklopädie ist nicht unpolitisches, schließlich, das sagte schon Diderot, soll sie alles wissenschafltiche Wissen einer Zeit, selbstverständlich zu Zwecken der "Aufklärung" versammeln. Eine Enzyklopädie ist ein Werkzeug und kein Werkzeug wird wahllos geschaffen, sondern immer zu einem mindestens eindeutig bestimmten Zweck. Man könnte es einfach sagen, dass eine Enzyklopädie den Zweck des Vormarsches des Wissens erfüllen soll, des wissenschaftlichen Wissens wohl gemerkt und eben das ist die politische Implikation der ganzen Sache. Vielleicht ist gerade das das Problem der Wikipedia, sich so vehement "frei" zu nennen und immer wieder festzustellen, wie schwer das ist; vielleicht stellen sie auch irgendwann fest, dass man nicht einfach frei ist, sondern das man Freiheit erst herstellen muss, das gilt sowohl für große Zusammenhänge wie für den Einzelnen oder Gruppen selbst. Kein Mensch lädt dich dazu ein, frei zu sein; bestenfalls lädt man dich ein, an deiner Freiheit zu arbeiten und auch dann ist eben nichts geschenkt. Der Autor Ulitz schreibt dazu durchaus nicht schlechte Dinge. Aber ich nehme an, dass auch für ihn der Unterschied zwischen Wissen und wissenschafltichem Wissen nur in einer qualitativen Frage liegt, nicht in einer des Zustandes. Für mich ist wissenschaftliches Wissen ein Wissen anderen Zustands, deswegen aber nicht besserer oder schlechterer Qualität. Man kann ein ganzes Leben damit verbringen, kein wissenschaftliches Wissen zu benutzen, und warum auch nicht? Wikipedia allerdings hat dieses Wissen als das nonplusultra postuliert und das wird ihr gerade zum Verhängnis. Denn die Wissenschaft ist selbst nicht frei von Problemen und im Moment scheint sie wenig daran zu arbeiten, es zu werden. Auf diesem Blog hier kann man manches darüber lesen. Man kann aber auch zb. von Franco Basaglia das Buch "Die negierte Institution" lesen und sich danach fragen, was man mit den Erkenntnissen, die selbst wissenschafltich sind, anfangen soll und vor allem (das Buch ist fast 40 Jahre alt) was man damit angefangen hat - und was alles nicht. Es ist nämlich dieses Problem der Wissenschaften, das Francois Chatêlet in dem Buch "Geschichte der Philosophie Bd. VII: Die Philosophie der Sozialwissenschaften (1860 bis Heute [=1973])" folgendermaßen auf den Punkt gebracht hat: "Das epistemologische und politische Problem ist, was man mit diesen Arbeiten anfangen soll, die aus der Institution hervorgegangen sind, und die sie, ob sie sich nun in sie fügen oder über sie hinausgehen, in Frage stellen." (S. 229). Was macht Wikipedia mit diesem Problem? Hier kann nochmal auf den Autor Ulitz verwiesen werden. Aber auch Aritkel wie dieser hier  versuchen das Problem irgendwie zu erfassen. Bisher scheint es so, als ob vor allem solche Konflikte, die notwendig in Kritik enden, damit gelöst werden, dass die Kritiker schlicht ausgebotet werden bis sie entweder selbst keine Lust mehr haben oder aber, bis man sie sperrt. Man kann aber festhalten, dass dieses Problem nur bedingt von Wikipedia selbst hervorgerufen worden ist, denn wie man sieht, gab es dasselbe schon 1973, nur liegt es in der Wikipedia jetzt anders vor. Der Artikel der "Aids-Leugner" zeigt das brillant: hier wird gefordert, man möge wissenschafltiche Quellen vorlegen. Und freilich gelten hier dann nur medizinische bzw. molekularbiologische oder biomedizinische Beweise. Nur wer sollte die erbringen? Und selbst wenn, ein weiteres selbstgebautes Fallbeil für Wikipedia-Autoren, man dann welche vorlegen könnte (es gibt sie), so würden die Autoren sie einfach als unwissenschafltich oder unverlässlich disqualifizieren und dann bessere fordern; die würde man vorlegen, sie würden disqualifiziert und so weiter. Das ist schon mehr als ein wissenschaftliches Dogma, es ist eine ganze Arbeitsmethode, die, und Wikipedia offenbart das unfreiwillig, aber nicht nur in der Wissenschaft ihre Anwendung findet. "Werft die Hexen auf den Haufen" will man fast sagen, aber das Problem ist freilich so einfach nicht gestrickt. Es ist ein enormes Problem, wenn man sich in Gedanken behält, dass das Internet bezogen auf relativ einfache Verfügbarkeit vielfältigen Wissens eine Wahnsinnsmaschine ist; allerdings eine ohne Vergangenheit. Jetzt, so könnte ich mir vorstellen, bauen wir alle die unbearbeiteten, am Wegesrand liegengelassenen Probleme der letzten 200 Jahre mit in diese neue Erfindung ein nur viel schneller. Wir machen nicht dieselben Probleme nochmal und sie tauchen auch nicht als Farce wieder auf; wir schaffen ganz neue Probleme durch die Verwendung all der Techniken, die bereits in Frage gestellt wurden sind, deren in Fragestellung aber unbeachtet blieb (das Urheberrecht ist hier ein gutes Beispiel). Und wir bauen uns diese Probleme, von denen manche Teile von manchen Menschen schon gesprengt wurden, jetzt anders zusammen und machen vielleicht den etwas gefährlichen Fehler, uns gleich auf diese Wahnsinnsmaschine zu verlassen, von der wir doch noch so wenig Ahnung haben (für das Web 2.0 und das schnelle Internet hat die Welt nicht mehr als 15 Jahre Erfahrung vorzuweisen; für das Problem der Ausgrenzung von Herätikern liegen ganze Epochen vor; für das Problem der einschließenden Ausschließung von Anomalen ("Un-ebenen", "Nicht-rechtwinkligen") liegen mindestens 150 Jahre Erfahrungen vor). Es steht außer Frage, dass die Bewältigungen, die Freiheitseroberungen hierbei nicht nur auf Wikipedia stattfinden werden, aber auf Wikipedia, insebsondere in den Diskussionen und der History, kann man schon fast als ein Forscher im Ethischen unterwegs sein, wenn man das will. So zb ein so tragischer wie komischer Gestus ist es, dass "Kritiker" sehr lange Ausformulierungen machen in denen man, wenn man ein wenig mehr liest, das Bemühen um eine gewisse Zurückhaltung erkennen kann: die Zurückhaltung, nicht beleidigend zu werden, nicht die ganze Raison der "Standard-Autoren" in Frage zu stellen, sich sogar um Stil im Schreiben zu bemühen, während die Antworten der Standard-Autoren selten mehr als 5zeilig sind und 2 bis 3 Verweise darauf enthalten, welche Wikipediaregel hier warum angewandt wird und warum der "Kritiker" deswegen verloren hat. Mithin hat man den Eindruck, man wäre bei einem Amt, dass einem, je nach dem Punkt, der den eigenen Unmut (eigen= Kritiker) hervorgerufen hat, passende kleine Zettel gegeben werden, auf denen steht, weswegen Kritik nicht erlaubt ist. Es ist wirklich ein phantastisches Regelproblem, dass allerdings nicht nur auf Wikipedia besteht. Das Bemühen, mit diesen Regelproblemen umzugehen, so denke ich, verstehen aber viele etwas sehr einfach pessimistisch. Zwar wird die Wikipedia über kurz oder lang wirklich zum Erliegen kommen, wenn sie nicht anfängt, über ihre gesamte Konstitution nachzudenken (nicht nur über ihre Regeln) aber bis dahin haben all jene, die ein gewisses Niveau an Kritik darin erhalten möchten doch noch einen riesigen Arbeitsplatz, um sich selbst zu üben und an sich selbst zu arbeiten. Die "Standard-Autoren" haben hier zwar weniger Bonus, denke ich, denn ihre Aufgabe beschränkt sich doch eher darauf, den Standard einzuhalten und zwar mit Regeln, die sie sich nicht selbst gemacht haben; die "Kritiker" müssen sich, je länger sie ihre Kritiken machen möchten, selbst Regeln geben, wie sie ihren Stil und ihre Aussage mit ihrer Moral in Einklang bringen können. Dasselbe, denke ich, kann man auch von diesem bereits erwähnten Blog sagen (vor allem von dessen Autor), der sich wahrhaftig mal eine Übung in Geduld an die eigene Existenz geheftet hat (und das wusste er vorher sicher nicht!). 

Ich empfehle übrigens jedem, sich mal 3 bis 4 Stunden Zeit zu nehmen und sich die englische Version des Aids-Dissidenten Artikels und dessen Diskussion zu Gemüte zu führen. Da stehen wirklich manch lustige Sätze. War ich bis heute selbst manchmal etwas erbost über die Weise, wie man auf Wikipedia, aber auch sonst im Web, über manchen Themen die absolute GateKeeper-Mentalität ausbreitet, musste ich mir heute denken, dass ich einfach, wenn ich mal einen schlechten Tag habe, mir diese Diskussionen durchlesen werde; ich kann dann herzhaft lachen über die wirklich gewaltigen Absurditäten, die ein so unbeachtetes Thema nach sich ziehen kann, was für Polemiken man auf einem so unbemerkten Thema ausschütten kann, wie man darauf reagieren kann. Es macht mir durchaus Mut, aber diesen Mut mit Lachen. 

Allen Kritikern, die sich, so wie ich, selbst nicht als solche sehen aber so missverstanden werden und auch allen Kritikern, die sich so verstehen wollen und auch so genannt werden wollen, dieses Lied

18.07.2010

Verblendungszusammenhang I

"Wenn Sie im Seminar oder der Vorlesung mehr als zweimal nicht anwesend waren, kann ihnen kein Schein ausgestellt werden." 

Ich hoffe ja insgeheim, dass man sich des Witzes hinter solch einem Satz bewusst wird. Reden wir über Anwesenheitslisten an der Universität. 

Auf diesen Listen, die nicht in allen Disziplinen gebraucht werden, aber in vielen, müssen sich Studenten eines Seminars oder einer Vorlesung regelmäßig eintragen, um damit nachzuweisen, dass sie anwesend waren und nicht etwa - aus irgendwelchen Gründen - nicht anwesend. Wie aber kommt es wohl dazu, dass man solche Listen für nötig befunden hat? 

Ich denke mir das in etwa so: zunächst registrierte man schlicht und einfach, dass immer weniger Studenten die Seminare etc. besuchten, dafür dann aber einen Schein bekamen. Das macht die Vergabe von Scheinen als Formulare, auf denen eine Leistung (bürokratisch) ausgewiesen wird, natürlich etwas schwierig, denn wenn man einen solchen Schein bekommt, und nie da war, dann bekommt ihn für lau; damit ist dann nicht mehr garantiert, dass man wirklich ausgebildet wurde und hier sind wir schon beim Problem der Sache: wie stellt man nun sicher, dass die Leute wirklich ausgebildet worden sind? 

Dem vorrausgehend ist aber die Definition dessen, was man als Ausbildungs-Leistung definiert. Gewöhnlich nimmt man an, dass beispielsweise Kommentare in den Seminaren seitens der Studenten eine solche Leistung sind, denn diese Kommentare werden ja von den Dozierenden/Lehrenden durch Rückmeldung bereits einer Bewertung unterzogen, gegebenenfalls einer Korrektur und somit findet eine Bildungserziehung statt. Auch Hausarbeiten, Vorträge, Essays oder sonstiges stellen eine solche Leistung dar. Aber als die Anwesenheiten der Studenten im Seminar rückläufig wurde (ich nehme an, so zwischen 1980 und 200o), fielen die zu bewertenden Subjekte quasi immer mehr weg, wurden also nicht mehr nachweislich überprüfbar in den Seminaren ausgebildet, was doch aber ein wesentlicher Teil der akademischen Ausbildung ist und überhaupt einen Kern aller akademischen Ausbildung ausmacht. 

Freilich fragt man selten, wieso die Studenten nicht mehr in den Seminaren erscheinen. Man sucht nicht nach dem Grund, sondern findet gleich eine Lösung: verpflichtende Teilnahme, umgesetzt in Anwesenheitslisten, auf denen man regelmäßig sein Kürzel hinterlassen muss, womit gleichsam der Nachweis der Anwesenheit erbracht ist und zudem sichergestellt, dass die Ausbildung auch tatsächlich wie vorgesehen stattgefunden hat. Allerdings wird nichts so strikt reglementiert, wie die Anwesenheit: in einer Hausarbeit dürfen mannigfaltige Fehler gemacht werden, ein Referat kann von völlig Unfähigen gehalten werden und Kommentare und Diskussionen können völlig frei bloßer Meinungsaustausch werden: bewertet werden muss nur noch die Anwesenheit dieser Tage. 

Aber welches Problem liegt denn wohl hinter dieser seichten Abwanderung der Studenten aus den Seminaren? Meine Hypothese: man lernt schlicht nicht mehr allzu viel in den Seminaren, es ist eher Zeitverschwendung als Ausbildung und Zeit ist knapp, vor allem wenn man arbeiten muss oder vielleicht einfach chillen will. Denn sich sinnentleerte Dinge anhören zu müssen ist nicht bloß anstrengend, man kann von manchem Geschwalle auch wirklich Kopfschmerzen bekommen und eine Art Zwang, sich zu langweilen, kann ernsthafte Folgen haben. Was ich sagen will: es ist ein Problem der Qualität der Bildung durch die Seminare und also ein Problem der Qualität der Ausbildung. Die Quelle diesen Problems sind nicht die Studenten, denn sie bilden sich ja nicht selbst aus, sondern sollen durch Lehrende ausgebildet werden. Und wie löste man dieses Problem? 

Man machte Anwesenheitslisten. Man verpflichtet einfach jeden zur regelmäßigen Teilnahme und verdeckt damit einerseits das Problem der abnehmenden Qualität der Bildung, verschiebt es aber auch gleichzeitig ausschließlich auf die Studenten, so als würde niedrige Qualität der Bildung bei den Auszubildenden beginnen, nicht bei den Ausbildenden. Man kann als Lehrender an der Universität damit ein noch so schlechtes, noch so falsches Seminar halten und wird nur sehr selten auf die Idee kommen, die eigenen Seminare wären qualitativ minderwertig. Und selbst wenn man diese Idee hatte, muss man nichts verändern, denn eine Rückwirkung der Studenten auf die Qualität der Bildung findet nur noch durch "Evaluationsbögen" am Ende der Semester statt und diese Bögen sind selbst eine Blendgranate. Ausser Furst oder Hochachtung abzulassen, haben sie keine geregelten weiteren Folgen. Und wenn die Ergebnisse der Bögen zu schlecht ausfallen, lässt man einfach das letzte Seminar des Semesters ausfallen und muss sich so nicht mehr mit den schlecht-bewertenden Studenten auseinandersetzen: aus den Augen, aus dem Sinn. 

Das wirklich witzige dieser Sache ist aber in der Tat, dass man das Wegbleiben der Studenten in den Seminaren als eine Ursache rationalisiert hat, obwohl es eine Wirkung ist ("Man lernt nichts mehr") und dann einfach alle zu dieser schlechten Bildung verpflichtet, so als ob dadurch die Qualität der Ausbildung steigen würde. Man hat das qualitative Problem in ein rein quantitatives verwandelt, denn was zählt ist nicht mehr, wie gut du denken kannst und wie fähig du bist, sondern wie oft du anwesend warst: wenn du 4-5 Jahre am Stück einfach immer nur anwesend bist, grundsätzlich nichts sagst, Referate und Hausarbeiten ohne jede Reflektion einfach so ausführst, wie man es dir vorschreibt, bist du heute äquivalent zu solchen Studenten, die sich bemühen kritische Reflektionen zu betreiben (was gefährlich werden kann an der Universität...), nebenbei arbeiten und/oder politisch aktiv sind, intensiv außerhalb der Universität sich die Bildung, die ihnen die Universität nicht mehr bietet, die sie sich also selbst machen, was gleichsam nirgends mit in deine Ausbildung zählt usw.. Zeittechnisch gesehen ist es damit viel logischer, wenn man als Student an der Universität heute nicht mehr über den Tellerrand schaut, denn dieser Teil einer intellektuellen Ausbildung ist dank der Anwesenheitslisten gar nicht mehr von belang: Leistung ist dort heute einfach Anwesehenheit,  und das meint auch lediglich physische Anwesenheit. Du musst einfach nur 4 oder 5 Jahre sitzen, und dann bist du ausgebildet, du musst die 4 oder 5 Jahre nur das wiedergeben, was man dir vorschreibt. Du lernst nicht, wie man denkt. Du lernst, wie man es macht, dass man nicht mehr denken muss: man erklärt eine Wirkung zur Ursache und verplfichtet dann alle dazu, sich der Lösung des "ursächlichen" Problems zu verschreiben, mittels einer Lösungsmethode, die gar nicht nach Gründen gefragt hat, sondern sich nur um die Konstinuität des Status-Quo bemüht hat. 

"Wenn Sie im Seminar oder der Vorlesung mehr als zweimal nicht anwesend waren, kann ihnen kein Schein ausgestellt werden." ist ein Satz, der anzeigt, dass diese Kontinuität gar nicht stattgefunden hat und aufgehört hat, stattfinden zu können. Es war nötig, es so zu tun. Der ganze kleine Bruch innerhalb des akademischen Ausbildungssystems, denn man zu überblenden versucht, würde sofort (vielleicht desaströs) sichtbar werden, würde man diese Listen aussetzen. Das würde übrgiens durch die angenehme Folge begeleitet werden, dass die Überfüllung der Universitäten gar kein Problem mehr wäre. Insofern sind diese Listen, dank ihrer Methodologie, ein enormer Kostenpunkt, weil der Zwang zur Anwesenheit mit Räumen umsorgt werden muss und diese Räume kosten extrem viel Geld. Die Infragestellung dieser Listen (man versuche sich in einem solchen Experiment!) ist zudem ein Politikum, dass weit über das Problem der bloßen Sinnhaftigkeit und Sicherstellung der akademischen Ausbildung hinausreicht, weil man das Qualitätsproblem schlicht in die Autorität des Ausbilders eingeschrieben hat: diese Listen in Frage zu stellen, stellt den Machtgebrauch der ganzen Instiution in Frage, weil durch sie eine Abhängigkeits- und Unterwerfungsbeziehung zur Institution etabliert wird, innerhalb derer die bloße Anwesenheit auf Lehrveranstaltungen die Macht der Ausbilder garantiert - und nicht mehr der Intellekt der Ausbilder diese Macht erst produziert. Die Diskontinuität besteht darin, dass die Ausbildung durch fähige Ausbildersubjekte als Verblendungszusammenhang hervorzubrechen drohte, weil die Unfähigkeit der Ausbildersubjekte sich in der Abwesenheit der Studierenden zu zeigen drohte, was die ganze Methode akademischer Ausbildungen gefährdet hat. Die Existenz von Anwesenheitslisten und Evaluationsbögen ist schlicht die Fortsetzung des Bruches innerhalb der Ausbildungsmethode, denn es drohte die Qualität der Ausbildungsmethode sehr weit herabzusinken, ja fast nichtig zu werden. Und fraglos hätte das retrospektiv alle jene in Frage gestellt, die Titel und Grade in dieser Ausblidungsmethode erlangt haben. 

Das ganzen Völker von Akademikern haben ihre pädagogische Unfähigkeit, eine gute Ausbildung leisten zu können, deren hohe Kosten gerechtfertigt wären und deren Sicherheit garantiert wäre, durch diesen simplen Disziplinierungsmechanismus der Anwesenheitspflicht gerettet und retten müssen.  Diese Listen sind die zu Wasser gelassenen Rettungsboote, nachdem offenbar wurde, dass das Schiff doch sinken kann und die Wände ziemlich dünn sind. SIe überblenden das Problem, dass man nicht mehr in der Titanic lernt, sondern auf einem klapprigen Holzfloß. Und sie befähigen nur noch zu den nautischen Fähigkeiten der Beherrschung klappriger Holzflöße, verblenden aber darin, dass sie auf dieses Holzfloß "Titanic" geschrieben haben. So wird nun also jedes klapprige Floß als Titanic ausgegeben und niemand kann mehr größere Schiffe als Holzflöße führen, denn dafür gibt es ja gar keine Ausbildung mehr. Alles, was also größer als dieses Floß erscheint und von einem wirklich fähigen Kapitän geführt werden kann, muss schlicht erst einmal auf Holdfloß-Größe heruntergebrochen werden - oder aber ganz vernichtet, ob des Bruches mit den Traditionen der Holzfloßfahrer, insbesondere der Tradition, dass niemand intellektueller sein kann als jene, die auf Holzflößen gesessen haben.

Das absurde daran ist, dass wir die Holzflöße mittlerweile für Raumschiffe ausgeben und ernstlich damit experimentieren, völlig unfähige Kapitäne zur Rettung verschiedender Menschheiten ins All zu schicken und uns darauf verlassen, dass die unsere Probleme schon lösen werden. Das sind ja schließlich alles Experten! Und Forscher! Und Professoren! Die haben doch alle auf der Titanic gelernt! Aber von wo aus erzählt man eigentlich pausenlos, dass die Titanic noch existierte, dass sie noch nicht gesunken wäre? Von der Titanic aus erzählt man das oder dann, wenn man über die Titanic redet.

Weil es keine Titanicen mehr gibt, halten wir alles für Titanic, was bloß wenigstens kurzzeitg zu schwimmen scheint. Und so bilden wir uns aus: wir tauchen nicht auf die Gründe der Meere, wir springen von sinkendem Schiff zu sinkendem Schiff. Wer die geradeste Linie springt, gewinnt. Wer sich eigene Schiffe bauen will, verliert, denn das darf man erst, wenn man einmal gerade durchgesprungen ist. Wer auf Inseln verweist, wird verhöhnt: "Wir haben die Titanic. Wir brauchen keine Inseln." Wer erzählt, die Titanic ist gesunken, vor langer Zeit schon, wird als Ketzer denunziert, als Nestbeschmutzer und Netzverhunzer. Wer auf all diese Gedanken gar nicht erst kommt, bekommt am Ende des Holzweges den Titel und den Grad eines Intellektuellen.  

12.07.2010

Lehrer und Schüler

Heute habe ich gelesen, man plane in GB Lehrern irgendwie mehr Rechte auf physische Gewalt gegen Schüler einzuräumen. Damit das, was da anscheinend schon passiert, nicht mehr so häufig rechtswidrig ist, nehme ich an. Und natürlich, weil 35 Schüler in einer Klasse nur noch recht schwer durch Faszination zu belehren sind und überhaupt die beste Lernform sicherlich nicht tägliches, 6-8 stündiges Zuhören ist. Und wenn der Redende dann auch noch keinen Respekt verdienen kann (das soll die Initiative wohl bewirken: mehr Respekt...) vor seinen Schülern, ist gar keine Katze im Raum und es geht eben los mit den Mäusen. Ich denke allerdings, dass es nicht sehr klug ist, solch ein Gesetz zu verabschieden, denn erstens, wird der Respekt auf Seiten der Lehrenden dadurch nicht erhöht (denn Respekt kann man nicht vorschreiben, denn vorgeschriebener Respekt heißt Gehorsam), sondern der Disrespekt gegen Lehrer auf Seiten der Schüler wird dadurch eher ausgeweitet, weil die ohnehin schon nicht sehr stark respektierten Menschen dadurch noch disrespektabler wirken, wenn sie sich qausi auf "die große Mutti" berufen müssen (schon wieder), um noch was im Griff zu haben. Noch gefährlicher, denke ich, ist aber der Umstand, dass manch Lehrer sich dann vielleicht eher ermutigt fühlt, wirklich irgendwie "physische Gewalt" anzuwenden (denn wieviel Interpretationsraum bietet das!?) und dann könnte es sehr bedrohlich für ihn werden: gleichwohl ich nicht denke, dass gewaltbereite Schüler so geboren werden, denke ich doch, dass deren, heute recht intensive, Gewaltbereitschaft durch eine Recht auf "physischen Gewalt" seitens des Lehrers den Kessel noch mehrzum Brodeln bringt; nur sind die Schüler vielleicht viel gewandter in diesen Dingen, in denen Lehrer quasi-natürlich selten bewandert sind: das Gesetz könnte die Gefahr für Lehrer also eher noch erhöhen. Und damit liegt es Nahe, anzunehmen, dass man hier wieder einmal nichts besseres wusste, als relationale Probleme der Gesellschaftsorganisation (Schule-Schüler-Lehrer-Wirtschaft-Kriminalität) als Verantwortung einzelner, bestimmter Subjekte zu postulieren (Lehrer-Schüler) und einfach wieder einmal weiter so zu tun, als ob Schule an sich und Organisation von Schule in Gesellschaften rein gar nichts mit Kriminalitäten und Gewalt zu tun hätte, also mal wieder einen auf heilige Kuh gemacht, die um Himmelswillen nicht und nirgends anrüchig wäre. Und damit hat man meines Erachtens nach den Lehrern keinen Gefallen getan, eigentlich hat man ihnen einmal mehr in das Gesicht gespuckt, weil man nämlich es so verkauft, als ob die Lehrer bloß ein bisschen zu Luschi-mäßig wären (also wieder einmal kein Problem von Relation und Organisation) und ein bissi paternalistische Rechte bräuchten, damit es endlich wieder richtig läuft, als wäre es nur eine Sache zwischen Lehrern und Schülern. Genau daran erkennt man auch, dass die wenigsten Bildungspolitiker Ahnungen von Schule als Institution haben und im Grunde, ebenso wie der heutige FInanzmarkt, in ihrem System völlig abgehoben von der tatsächlich stattfindenden und wirkenden Realität ausgehen, in der Lehrer eben bloß bissi mehr Recht bräuchten und dann wäre der Schinken gepökelt. Wahrhaftig aber bringt man Lehrer damit in Gefahr, Schüler ebenfalls, und versetzt beide in eine noch prekärere Lage und alles aus leichter "Pietät" gegen diesen Kasten namens Schule, der auch schleichend allen unterstellt: "Ohne mich wäret ihr nichts und wüsstet ihr nichts!". Und heute fügt er hinzu: "Ihr seid zu ungehorsam, ich brauche mehr physische Gewalt gegen euch, damit ihr was lernt, denn sonst werdet ihr alle wie die Assis, die ich brauche, um 5er und 6er und Ritalin an den Mann zu bringen!". Wahrhaftig ein paranoider Schizo, die Schule... 

02.07.2010

Über eine Form von Politik

Es entbehrt einger Ironie nicht, wenn man sich selbst irgendwann plötzlich innerhalb politischer Kontexte wiederfindet. Manchmal kann das sogar gruselig sein.

Ich bin sehr dafür, nicht bloßß Wissenschaften in Frage zu stellen, sondern die Grundlagen, auf der Wissenschaften bauen; man nennt dies ihre Episteme, also das jenige Sammelsurium von Wissen, aufgrund dessen eine Wissenschaft den Anspruch erhebt "was hier gesagt wird, ist wahr". Die fundamentalen Erkenntnisse, die Erkenntnisse, die als "gesichert" gelten und auf denen alles weitere fußt: so etwas nennt man Epistem.

Erwähnte Ironie wird absurd, wenn man aufgrund solcher Infragestellungen mehr oder weniger dazu gezwungen wird, politisch sich zu bekennen, oder mindestens die Zwänte wahrnimmt, dass ein politisches Bekenntnis Not tut, ja in dem, was man fragt, impliziert ist. Frucht eines solchen Weges ist die erstmal nutzlos Erkenntnis, dass Spezifikation und Intellektuallität keine Referenz für politische Neutralität ist; ja das Gegenteil ist vielmehr der Fall, und das wird jedem leicht ersichtlich sein: wenn ich sozialdarwinistische Theoreme verfolge, dann habe ich damit ein (durchaus fragwürdiges) politisches Statement abgegeben, nämlich jenes Statement, es gäbe lebenswertes (biologisches) Leben und, dem gegenüber, lebensunwertes Leben; verfolge ich solche Theoreme, bekenne ich mich definitiv zu einer Politik, die die Durchsetzung der impliziten Interessen (Ausrottung lebensunwerten Lebens) verfolgt. Ebenso positioniere ich mich, wenn ich Wissenschaft als solche und alle an sie gebundenen Instanzen und Institutionen in Frage stelle, in Frage stelle bezüglich nicht nur ihrer politischen Ausrichtung ("Lass uns ein paar Menschen konditionieren"), sondern ihrer sämtlichen ethischen Implikationen. Und da steht man dann plötzlich, weil man sich etwas gefragt hat, vor einem ganz anderem Problem, nämlich dem der ethischen Folgen von Wissenschaft. Wir brauchen hier nicht die dunkelsten Menscheitskapitel auszugraben (gleichwohl es lohnt), um zu verstehen, dass Wissenschaften und Forschungen ethisch mehr als zweifelhaft sein können; wenn dem aber so ist, so heißt dies, dass in Wissenschaft und Forschung diese Möglichkeit selbst gegeben ist: sie kann sich für unterirdischste Zwekce instrumentalisieren lassen und man sei hier nicht so naiv anzunehmen, dass diese Fragwürdigkeiten in einem Zeitalter wie von selbst offenbar seien oder in den Zeitungen publiziert würden: wenn überhaupt, so kann man in den Zeitungen sehen, WAS diskutiert wird und WIE es diskutiert wird; niemals aber sieht man, was die ethischen Auswirkungen in der Zukunft sein werden, denn es gibt kein Hellseher.

Die Wissenschaften in Frage gestellt, die "Dienstbarkeit der Intellektuellen" als ethisches Problem verstanden, dies führt dazu, dass man sich selbst als ein politisches Subjekt konstituieren muss. Aber, und das ist die Frage, woher kommt das wohl?

26.06.2010

Über Naivität

Es gibt eine bestimmte Form der Naivität, die ich sehr schätze, fast ehrfürchtig bestaunen würde, wenn nicht Ehrfurcht so ein merkwürdiger Begriff wäre. 

Es ist dies die Naivität eines Anfangs in einer Sache. Ein Anfang, von dem man bereits Gewißheit hat, dass er selbst naiv ist; wo das Verlassen diesen Anfangs, das Weiterschreiten von diesem Anfang beginnend, schon so wirken wird, dass, an welchem Ziel auch immer angelangt, man über die Naivität, die dann auch Dummheit ist, lachen wird müssen. Es ist eine Naivität, die nur an bestimmten Fragen aufzufinden sein kann, nämlich an jenen, die gerade keine ausreichende Antwort mehr finden können; und deren Unausreichend-haftigkeit man durch den Weg, den naiven Weg, welcher ebenso naiv ist wie der Punkt, von dem aus er angefangen wurde beschritten zu werden, nicht dem Ziele dient, die Antworten klarer werden zu lassen, eindeutiger, verbindlicher, sondern, wo gerade durch das Gehen des Weges die Antworten noch unklarer werden, noch uneindeutiger, noch unverbindlicher, sodass man am Ende, wenn die Fahrt zu Ende gekommen sein wird, sicher sein kann, dass das, was man beschritten hat, ein Weg gepflastert aus Trümmern sein wird, deren Lese man erst nach Beenden der Fahrt wirklich vollziehen kann. Und während man sich nun auf dieser Fahrt befindet, kommt sich noch dümmer, noch unwissender, noch näher an Nichts vor, als je zuvor; doch wenn man es erreicht hat, bewirkt hat, erwirkt hat, dass die Fahrt ein Ende gefunden hat (und ein Ende sind 20000 Anfänge), dann kann man mit einem noch größeren Erstaunen auf den zurückgelegten Weg blicken, als man am Anfang überhaupt für möglich gehalten hätte: und eben deswegen ist dieser Weg immer naiv, denn seine Spuren erscheinen nur dem Betrachter als das was sie sind, der den Weg beschritten hat: als das Mögliche der Dinge, als das, was vorher (wie selbstgewiß, wie naiv) für unmöglich gehalten wurde. Eben wegen dieser Möglichkeiten, die da an irrtümlich vermuteten Horizonten aufscheinen (und sei es nur für einen Augenblick), eben deswegen geht man den Weg, voller Naivität, nimmt allen Hohn in kauf, denn der zählt selbst zum Weg, zu diesem Weg, Mögliches denkbar werden zu lassen durch aufzeigen dessen, was so unklar ist, dass es zweifelhaft wird, ob es überhaupt jemals so exisitiert hat, wie man sich das bis zum Zeitpunkt des Anfangs des Weges (und der Anfang ist das leichteste) vorgestellt haben möge; wie es danach so nicht mehr vorstellbar ist; wie es schließlich zwingend wird, dass es sich anders vorgestellt werden muss, dass es sich neu vorgestellt, d.h. erfunden werden muss. 

17.06.2010

Über tendentiöse Witze und Fussball

Ich bin alles andere als befreundet mit Sigmund Freud, der Psychologie oder Psychoanalyse oder Psychiatrie oder den Humanwissenschaften an sich. 

Aber deswegen heißt das ja nicht, dass dort nicht intelligbles hervorgebracht werden könnte, das auzugreifen sich lohnen kann! 

Sigmund Freud also sprach einmal in einem Werk, ich weiß nicht mehr in welchem, von der Existenz einer Form von Witz, die er den tendentiösen Witz nannte. Was ist ein tendentiöser Witz? Etwas platt formuliert könnte man sagen, ein tendentiöser Witz zielt-und-trifft am Zensor vorbei direkt ins Ziel. Die psychische Energie (was wohl auch immer das sein soll...) die dadurch freigestzt wird, wird eben dadurch freigesetzt, das ein am Zensor-vorbei-schießen ein hohes Potential hat, weswegen der tendentiöse Witz fast eine Art der Kunst des Witzerzählens für sich ist! 

Und obwohl ich nicht besonders Fussball begeistert bin, es in manchen Momenten gar befremdlich finde, wie viel Euphorie daran gefühlt und gewünsch wird, so bin ich in einem Punkt doch äußerst, äußerst fröhlich darüber, wenn im Stadion in sonstwo Menschen wild-freuend aufspringen und sich gegenseitig ins Ohr tröten, ja sich vor Freude fast gegenseitig zusammenschlagen, wenn mal wieder ein Ball am Zensor vorbei ins Ziel geflogen ist... so lange, wie die Menschen daran noch Freude empfinden könne, ja sich die Freude danach wünschen, kann ich vielleicht wütend über alle sie werden, aber nicht so voller Zorn, dass ich in Verzweiflung stürzen würde. Denn allein schon, das der Fussball vielleicht auch aufgrund eines tendentiös witzigen Umstandes so viel Begeiserung erzeugen kann, ist schon wieder ein Witz für sich, dass diese Freude an den Ort namens Stadion und danach im Ort namens Wohnzimmer stattfindet trotz aller Kriege und Ungerechtigkeiten, dass die Menschen sich ihre Spiele trotz aller beldeidigter, vielleicht nicht nur aber auch zu unrecht erzürnter Perlhühner, sich nicht ihre Spiele vom Brot nehmen lassen, das finde ich doch phantastisch, denn die Freude, die diese Menschen spüren, wenn am Zensor vorbei ins Ziel getroffen wird, diese Freude kann ich nicht verachten, nein, ich verachte es, wenn man eine solche Freude verachtet (obwohl ich Fussball nicht so interessant finde und manchmal gar befremdlich!)

16.06.2010

Über die Scham

"Wie schön es hier ist! Ein Hort des Wissens und des Denkens. Ich freue mich schon sehr, hier vieles zu lernen, viele kluge Menschen zu treffen, viele Dinge über die Welt zu erfahren!". 

So dumm war ich, als ich vor 3 1/2 Jahren an die Universität kam, um Chemie zu studieren. So sau dumm war ich. So naiv. So verblendet. so reingefallen, ohne vorher drinnen gewesen zu sein. 

Doch es gab irgendwann einen Bruch. 

Der erste war, mein Erstaunen über das, was ich die Bildungsphilosophie nennen würde, der ich dort gegenüber stand. Bereits nach einem Semester habe ich mein Chemie-Studium abgebrochen, denn es war mir unerträglich. Ich habe 80 Stunden in der Woche Universität gehabt, musste Aufgaben lösen, von denen mindestens die Hälfte korrekt sein musste und zwar jede Woche in mehrern Bereichen. Bereits nach drei Wochen wurde die erste Klausur über 250 Seiten eines dicken Chemie-Wälzers geschrieben und bereits bei dieser Klausur sind mehr als die Hälfte der Studenten durchgefallen; aber nicht, weil sie dämlich waren: ich kannte eine schöne Frau, die in ihrer gymnasial-Zeit den 2. Preis bei "Jugend forscht" in Chemie bekommen hat, die eine viel größere Leuchte war als ich und die diese Klausur nicht bestanden hat. Das Problem war das, was man heute "Workload" nennt, denn wir wurden einfach zugemüllt mit unglaublich vielen, für die Zukunft aus meiner heutigen Perspektive nutzlosem Wissen. Denn nicht das Wissen sollte geprüft werden, sondern der Willen und die Fähigkeit zum Auswendiglernen. Zu diesem Zwecke gab es schlicht extra konzipierte Fächer, deren Klausuren so heftig waren, dass schon die Erstsemester wussten, was "Siebfach" bedeutet. Die Betreuung hätte schlechter nicht mehr sein können und das wohl erstaunlichste für mich war die Tatsache, dass man einen Stundenplan vorgegeben bekommen hat. Es gab dafür zwar keine Anwesenheitslisten, aber man konnte ohnehin nicht riskieren zu fehlen, denn in den meisten Fächern gab es auch eine Übung (jede Woche), für die eben die Aufgaben zu lösen waren, die die Grundlage zur Zulassung (!) zur Klausur waren (1-2/Monat) und ie Gesamtheit dieser Klausuren war Grundlage zur Endklausur des Semesters zugelassen zu werden. 

Was ich beklagen will ist nicht, dass es vielleicht widersinnig wäre, intensiv zu studieren. Nein, was ich beklagen will ist einesteils die heftige Bevormundung, die darin mitschwingt und impliziert liegt, wenn man als Student Stundepläne bekommt. Aber auch die offensichtliche Nichtzurkenntnisnahme der Aktualität: den in so einem Studium ist es schlicht Selbstmord, nebenbei arbeiten zu wollen: wie soll das mit 80 Stunden Universität pro Woche noch gehen? Wer wäre so wahnsinnig zu fordern, "geh doch noch nebenbei arbeiten, ist doch nur Uni!"? 

Mein Leben bestand in diesen 4 Monaten meines Chemiestudiums nur noch aus scheissen, lernen, Klausuren schreiben und schlafen. Und sitzen. Ich habe nie so viel gesessen in meinem Leben, wie zur Zeit meines Chemie-Studiums.  Es ist zudem utopisch anzunehmen, dass man mit 80 Stunden Zwangsbildung pro Woche ein allzu gescheit denkender Mensche wird, abgesehen von der Tatsache, dass Zeitunglesen und sonstiges sich-informieren nicht drin ist, denn dazu fehlt es schlicht an Zeit, aber irgendwann auch an Konzentration. Und es ist nicht so, dass ich nicht gekämpft hätte: ich bin durch keine Klausur durchgefallen, auch wenn ich meistens nur wenig mehr als 50% richtig hatte. Aber so wollte ich die nächsten Jahre nicht leben. Eine andere schöne Frau meinte einmal gar zu mir, wie sie ihre letzte "Siebfach"-Klausur geschrieben hat. Sie hat mitten in der Klausur angefangen, aus dem Mund zu bluten, ich weiß nicht mehr weswegen, aber die Überforderung ihres bios durch die Universität (zu deren Bewätligung sie auch noch Ritalin nahm), hat sicher dazu beigetragen. Und hier ein Stück Bildungsphilosophie-Geschichte: als diese schöne Frau den Aufseher darum bat, die Klausur beenden zu dürfen und ein andermal erneut zu schreiben (weil sie bereits auf ihr Blatt geblutet hatte), verweigerte er diese Möglichkeit und sagte, wenn sie jetzt gehen würde, wäre sie durchgefallen und müsse eben bis nächstes Semester warten. Aus irgend einem Bürokratismus heraus bewirkt nämlich eine abgebrochene Klausur die Verwirkung des Rechtes auf die Wiederholungsklausur: man muss bürokratisch korrekt scheitern, um es Scheitern nennen zu dürfen. So bilden wir uns heute aus! So bilden die "Intellektuellen" ihre Zukunft aus! 

Ich habe mein Studium gewechselt, weil ich chronische Kopfschmerzen bekommen habe, wie der Arzt meinte wegen mangelnder Bewegung und Stress und vielleicht gar ungesundem Schlaf. Ich musste darauf hin ca. 4 Wochen Novalgin (Novaminsulfon) nehmen: ein sehr starkes Schmerzmittel, dass nur noch von Opiaten bzw. Opiatderivaten übertrumpft werden kann. Die chronischen Schmerzen habe ich heute immer noch, aber nur sehr selten, wenn es zu viel mit allem geworden ist und ich mich zu sehr verausgabt habe, wobei es lange dauert, bis das passiert; aber dann passiert es richtig und ich würde dann meinen Kopf gerne zum Platzen bringen, weil der Schmerz (über 12- 15 Tage immer stärker ansteigend) unerträglich wird; Novalgin hilft nicht mehr, aber ich will es auch nicht mehr nehmen, denn es macht mich irgendwie zombieartig. Was hilft, ist wenn ich ASS nehme (1 Tablette) und dann einen leichten Joint rauche: dann habe ich den ganzen Tag fast völlige Schmerzfreiheit, wobei ich nicht immer Schmerzfreiheit will, denn manchmal tut es gut, Schmerzen zu spüren in dieser sich stetig immer mehr selbst-betäubenden Welt. Aber dennoch kann ich es nicht immer ertragen (zb. wenn ich arbeiten muss oder eine Klausur schreiben muss, wenn ich lesen will...), und ich muss es auch so machen, denn schließlich ist Cannabis verboten, obwohl es Medikamenten-technisch gesehen meine Rettung ist, denn mir würde an diesen qualvollen Tagen nur noch etwas opiates helfen, was unglaublich süchtig macht, teuer ist und hefitge Nebenwirkungen hat; ausserdem will ich nicht mit 23 Opium nehmen müssen, um leben zu können. So muss ich mich also immer ein wenig illegal fühlen, kriminell, weil ich versuche mein eigener Arzt zu werden statt dem Gesundheitssystem auf der Tasche zu liegen, nur weil ich eines der ältesten Heilmittel der Welt nehme, für das unsere Forscher und Gesetzesmacher zu verstehen zu dämmlich oder zu ungewillt oder zu bezahlt sind. Diese Sache meiner "Spannungskopfschmerzen" und die Kopplung an mein Schmerzmittel-Problem war es, die mich sehr erstaunt hat: denn ich habe einen pharamzeutischen Chemie-Studiengang studiert, war also genau in dem Metier, welches mich zu einem Kriminellen gemacht hat ebenso wie alle Menschen, die auch Cannabis konsumieren, wenn sie Schmerzen haben. 

Wie naiv dieses Drogenverbot ist, denke ich mir heute. Deutschland oder irgend ein Land sollte mal versuchen auch nur einen Tag ohne Drogen zu leben: ich wette, der Laden bräche zusammen. Allein in Frankfurt a. M. wärde alles viel langsamer und noch schlechter laufen, wenn das Koks nicht da wäre. Und wie viele Lehrende und Politik-machende Menschen ihr Leben wohl ohne das tägliche Bier oder den täglichen Wein nicht mehr ertragen würden, wieviele an ihrer plötzlichen unbetäubten Wachheit scheitern würden. An den Tagen, die auf den Tag des absoluten Drogenverbotes folgen würden, kann man davon ausgehen, dass die Psychiatrien riesigen Zulauf hätten. Das wette ich. Und man frage sich auch einmal: was ginge alles flöten, wenn man die Drogenverbote aufheben würde? Welche Infrastrutkuren, welche Herrschaftsmechanismen, welche Machtpotentiale gingen den Berg runter? Drogen verbietet man nicht, weil man Drogen verbieten will; Drogen verbietet man, weil daraus sehr viel Macht erwächst. Die Frage ist, wann wir uns diese Butter wohl vom Brot haben nehmen lassen und wie es aus dem Bewusstsein verschwinden konnte, dass der Unterschied zwischen Droge und Medikament nur ein fiktionaler ist? Zweifelsohne, wer in der Geschichte der Heilungen Medikamenten suchen würde, die aus Bier bestehen, würde fündig werden. Aber niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten, nicht wahr? 

Nun bin ich etwas abgeschweift, aber sei es drum. Ich habe mein Studiengang gewechselt, von Dipl.-Chemie zu Dipl.-Pädagogik. Ich weiß nicht mehr, ob es ein Fehler war oder nicht. Gemacht habe ich es jedenfalls, weil cih Behindertenpfleger werden wollte, da ich das bereits in meinem Zivildienst gemacht hatte und sonst nicht wusste, was ich hätte machen wollen. Aber schon damals fand ich es komisch (man könnte sagen: die Illusion des "Hortes des Wissen" bröckellte bereits), dass man nur zur Universität gehen soll, um einen Job zu bekommen. Wo ist denn der Spirit hin, dass Bildung zum Lebenskunstwerk eines jeden Menschen gehören könnte? Nicht, dass das jeder machen sollte, aber das niemand es versteht, wenn man an der Universität als Student nicht wissen will, was man danach macht, ist mir ein Rätsel. So als käme es nur auf Arbeit an und so als wäre gerade so ein Denken für eine Arbeit (aber nicht eine an sich selbst!) zu studieren eine Wertschätzung von Arbeit; ich finde es eher als eine Abwertung echter harter Denkarbeit (die nicht jeder machen muss, aber die nicht abewertet werden sollte! Denken ist wichtig!). 

Doch bereits in meinem ersten Semester fand ich es sehr merkwürdig, widerum Erstaunen meinerseits. Ich lernte für eine Anthropologie-Klausur die Erziehungs- und Bildungsphilosophien von Heinrich Roth, von Humboldt und von Rousseau, ich arbeitet mir heraus, welche Differenzen es in ihrem Denken gab, was sie verband und was sie trennte, wie nahe sie unserer Zeit noch stehen oder wie verschieden sie davon sind; denn das dachte ich mir ist wohl das, was man in einer Anthropolgie-Klausur als Wissen erwarten würde. Aber was kam? Ich wurde gefragt, wann Rousseau geboren wurde. Was der kategorische Imperativ sei. Wann die Aufklärung stattgefunden habe (so als wäre sie beendet...). Ich konnte diese Fragen natürlich nicht alle beantworten und die Frage mit der Aufklärung fand ich ganz absurd. Was hätte ich da schreiben sollen? ca. 1800- ??? (2100 vielleicht?). Ich bekam also eine 4, was genügte, aber ich fand die Tatsache, dass ich wegen der geringen Anforderung durchgefallen bin (man wurde sogar nach einem Zitat von Gehlen gefragt!) irgendwie merkwürdig. In keinster Weise ging es in der Klausur um philosophische Fragen, sondern ausschließlich um Wissen, das auf Wikipedia steht. Das Geburtsdatum und Sterbedatum Rousseaus ist jedenfalls für mich keine Klausur-Frage an einer Universität. Da haben Individuen eine 1 oder 2 bekommen, die nicht mal den Namen Rousseau richtig schreiben konnten, einfach nur, weil sie hübschhübsch auswendig gelernt hatten. Das war nicht mal eine Anthropologie-Klausur, denn wie gesagt, es hat alles philosophieren in ihr gefehlt; eine philosophielose Anthropologie aber ist nichts als Verblendung. Die Individuen, die über die Lehre vom Menschen denken sollen, können nicht ignorant gegen Philosophie sein, ohne ihres Berufes unwürdig zu sein, Schwätzer mithin. Das wäre wie ein Feuerwehrmann, der einen Schlauch nicht halten will oder wie der Kapitän eines Schiffes, der sich nicht mit dem Meer beschäftigt. Ein Unding, aber ein Unding, für das viele Menschen viel Geld bekommen. Das Thema Anthropologie und Anthropologen wird noch öfter erwähnt werden. 

Dann schließlich, nach ca. einem Jahr im Pädagogik-Studium, kam es zum restlosen Bruch mit mir selbst und mit der Universität. Es war nur ein kurzer Moment. Ich saß im Zug und habe (das klingt jetzt komisch, aber nicht gleich verurteilen bitte!) ein Esoterik-Buch gelesen (ich glaube "Die Prophezeiungen von Celestine"), in dem es auch um, man könnte sagen, die Frage Wer wir eigentlich sind geht, denn dieses Sein und das Werden des Seins in verschiedene Richtungen ist ein Kernthema des Buches. Ich saß also im Zug und das erste Mal in meinem Leben habe ich mich gefragt: "Wer sind wir eigentlich?". Und es war dann vielleicht auch ein wenig so, wie in einem anderen Buch, das ich erst 16 Monate später lesen sollte: "Wenn man angefangen hat, einen Experten in Frage zu stellen, muss man irgendwann alle in Frage stellen" (aus: Sudbury Valley School, gesagt von einem Schüler dieser Schule, welcher nicht älter als 14 war, glaube ich). Ich also hatte den "Fehler" gemacht, mich selbst als Experten (für Erziehung oder was auch immer) in Frage zu stellen und plötzlich war ich geworfen in diese Welt, saß in einem Zug nach Frankfurt am Main und war völlig aus den Bahnen geworfen. Und dann, zwei Tage später, bin ich zufällig auf ein Buch gestoßen, dessen Begegnung mein ganzes weiteres Leben mitbestimmen sollte, vor allem meine Aktualitätswahrnehmung an der Universität: Wahnsinn und Gesellschaft, von Michel Foucault. Es geht in diesem Buch eigentlich nicht mehr ganz um Wahnsinn und Gesellschaft, sondern um das, was heute vielleicht wieder etwas mehr im Bewusstsein der Menschen ist, aber nicht auf eine ernste Weise, nämlich das Sich-Verändern dessen, was man "Geisteskrankheit" nennt: um es etwas überspitzt zu sagen: was heute geisteskrank genannt wird ist morgen ein Lernziel in den Schulen. Und in dieser Sache spielt die Psychiatrie, die Psychologie und die gesamte Humanwissenschaft (also alle Wissenschaften von dem Menschen) eine sehr zentrale Rolle. 

Man könnte nun meinen, das es ja bekannt wäre, dass das, was man Wahnsinn nennt sich in der Geschichte immer verändert. Dagegen kann man fragen, was dann zb. so ein Werk wie das DCM sein soll. Welche Rolle es spielt und wer eigentlich die sind, die wissen, was das DCM wissen soll. Man kann aber auch, um mein Problem zu erkennen, einfach mal einen Besuch in einer geschloßenen Psychiatrie machen. Denn das ist mir, noch während der äußerst verwirrenden Lektüre Foucaults, passiert, dass ich eine damalige Freundin, die sich umbringen wollte aber fehlging, in der geschloßenen Psychiatrie besuchen durfte, konnte, musste und wollte. Wenn die Sache mit einem großen Erstaunen begonnen hatte, so setzte sie sich hier unmittelbar in Entsetzen um; ich war an einem Ort, an dem ich die Grausamkeit der Kultur beobachten konnte, ja ich wurde von ihr berührt, denn ab diesem Besuch, ab dieser Festsetzung der damaligen Freundin von mir in einer Psychiatrie (gegen ihren Willen, wie sich versteht), war auch ich ein Teil des Spiels der Psychiatrie geworden, denn ich wollte dieser Freundin auch beistehen, ihr helfen, sie aufmuntern. Und alle Gründe, die es dazu gab, wurden fortan in der Psychiatrie hervorgebracht, denn ein Mensch in Freiheit oder zumindest ein Individuum, das nicht zwangsfestgesetzt ist in einer verdammten Klappse, würde nie in Frage gestellt werden, wenn es sich gegen Individuen zur Wehr setzt, die es ans Bett schnallen wollen, ihm die Hose ausziehen, ihm den Schlüpfer von den Beinen reissen, ihm einen Katheter in die in Kindertagen schoneinmal vergewaltigte und nun erneut vergewaltigte Vagina schieben und ihm Urin abnehmen, um seinen Suizidwunsch mit einer "drogeninduzierten Psychose" zu begründen; denn die damalige Freundin war eine Cannabisraucherin. Ich weiß nicht genau, warum sie sich umbringen wollte, aber ich weiß wohl, dass sie sich sehr viel mit Politik beschäftigt hat, sie hat mehr Zeitungen im Internet gelesen an einem Tag als die viele Menschen in einem Monat; sie hat sich mit abtrünniger Philosophie beschäftigt; sie hat ihrerseits selbst Freunde aus Psychiatrien befreit, die darin einsaßen, weil ihre Eltern sie loswerden wollten oder weil sie auf der Strasse einfach einmal betrunken von der Polizei aufgeschnappt und in die Psychiatrie (geschloßen!) gebracht worden waren; sie hat versucht sich einzusetzen, hat versucht in der Universität etwas zu bewegen, Menschen zum denken zu bringen, sie selbst denken zu lassen, sie aufzuklären über ihre nicht-gewussten Ausbeutungen aber sie hat für all das einfach zu oft auf die Fresse bekommen, wurde zu oft geschubst, verlacht, verhöhnt, als Volldidioten, Verschwärungstheoretikerin hingestellt und kaum jemand hörte ihr zu, ein Professor an der Universität stahl ihr gar einmal ein ganzes Thema, nachdem er sagte, dass das von ihr vorgeschlagene Thema der Korruption durch Neoliberalismus nicht aktuell wäre (es war wohl so um die Jahre 2005-2006 irgendwann). Sie hat es lange versucht, gegen ihren Schmerz Cannabis genommen, gegen den Schmerz, den eine sie hassende Gesellschaft ihr gegeben hatte, weil sie aufklären wollte und die Seelenschrumpfer sagen also, alles hätte am Cannabis gelegen und sie sei grundsätzlich schizophren, also fremdgefährdend, also selbstgefährdend, also zu entmündigen und durch Psychiater zu bevormunden und zu heilen. 

Zur selben Zeit lernte ich an der Universität in Sonderpädagogik, wie man "geistig Behinderte" am besten und kostengünstigsten in Heimen verwahrt und ich glaube es war auch zur selben Zeit, als man das Gesetz beschloß, dass alle "geistig Behinderten" auch den Status eines "psychisch Kranken" haben (dass also das PsychKG quasi unbegründet auf sie angewendet werden kann, denn vorher brauchte es hier bestimmte Begründungen, zb. um gesitig Behinderte, die in Heimen "ausflippen" in die geschloßenen Psychiatrien einweisen zu dürfen und sie zu psychopharmakologisieren), worüber ich in Sonderpädagogik nie etwas hörte (aber ich wechselte dann auch mein Interesse und überhaupt war ich erst im Grundstudium und hier studierte man alles zusammen allgemein) und ich will hier noch schnell hinzufügen, dass die Person, die mir und uns Studenten also erzählte, wie man "geistig Behinderte" zu verwahren hätte Leiter des sonderpädagogischen Instituts war und ebenso Vorsitzender der Prüfungskommision des gesamten Fachbereiches der Pädagogik (also nicht nur für Sonderpädagogik) war und das also dieses Individuum es nicht für nötig befand, den neuen Studenten (es war eine Einführungsveranstaltung) darüber zu berichten, wie die Gesetzeslage sich verändert hatte und vor allem, welche Implikationen damit einhergingen. Denn es gab das sicherlich schon einmal, dass alle "geistig Behinderten" als "psyschich krank" galten, aber das waren bei Leibe nicht die rosigsten Zeiten, sondern jene dunklen, seit derer man, wie Martin Heidegger das (wie ich meine) einmal formulierte, eine Scham spüren kann, nämlich Die Scham, ein Mensch zu sein

10.06.2010

Count-up to insanity

Terror, Schweinegrippe und Kopftücher

Das Karatschwangere Institut Für Frei Erdachte Reduktionsimen (K.I.F.F.E.R.) hat eine breit angelegte Studie zur Evaluation studentischen Andersdenkpotentials durchgeführt, nachdem verschiedene, völlig unzwilichtige Unternehmen dies beauftragt/befohlen hatten. Die durch die Exzellenz-Irritative ermöglichte Studie ist aufgrund ihrer astronomischen Erstellungskosten nach der MADMIRACLE-Methode (Mehr Als Die Meisten Insgesamt Real Ausgeben/ Caritativer Lohn-Einzug) und des FAG-AP-Prinzips (Fast Absolute Geheimhaltung Aller Parameter) als high representativ zu werten und als Erkenntnisbrunnen par excellence einzustufen bzw. Zuwider-Denkung wird bestraft mittels Finanzierung durch Geld, das mal eures war, aber es jetzt glücklicher Weise nicht mehr ist, weil ihr das sowieso alle nur für Bier, Kippen und euren infamen unsnobistischen Lebensstil ausgegeben hättet!!! (FDGDMEW,AEJGWNMI-WIDSANFBKUEIULAH!!!-Reasoning-Methode) Ergebnis der Studie: es gibt nahezu kaum Andersdenkpotential unter den Studenten, ganz entgegen der Erwartungen (gut, dass es jetzt eine Studie dazu gibt!). Ein totalisiert-renomiertes ForscherInnenensamble, bestehend aus 20 hochedlen Menschen mit zusammen bestimmt 3000 Titeln und Graden die sie für unzählige massiv sinnvolle Forschungen erhalten haben, leitete in einer noch teureren, noch neuscheinexzellenteren Nivellierung sozialer Ereignisse (NOTE-NONSENSE-Methode) daraus ab, dass immer noch alles nach dem O.K.A.Y.!-Prinzip (Ordentlich, Korruptionsfrei, Askendent, Yeah!) erklärbar ist, also, dass alles noch so ist wie vor 50 Jahren. 

Die Ergebnisse der K.I.F.F.E.R-Studie werden demnächst in einer Augapfelexplosionen hervorufenden überbunten und durchkandidellten Statistik mit scheinbar freihand gezeichneten Kreisen voller Klischees in einem mit Gold verzierten und Schampus-spritzenden Graphen präsentiert werden, auf einer Veranstaltung, die mehr Geld kosten wird als 5 Vatikane je zusammen erbeten könnten, selbst wenn sie jemals wirklich zöllibatär gewesen wären. 
Die Ergebnisse der NOTE-NONSENSE-Zusatzstudie werden nach Entwicklung eines kostenintensiven und ewig reformbedürftigen Verwaltungs-und-Statistik-Computer-Programms nach Fertigstellung der erfoderlichen Software mit der ULF-Methode (ULtra-Fehlerhaft) durch dubiose und zwielichtige Personen irgendwann einmal präsentiert werden und zwar auf einem eigens dafür einzurufenden Gipfel, auf dem alles sein wird, was man für einen so wichtigen Top-Gipfel brauchen wird: Champagner, PowerPoint, überflüssiges Gelaber, Stühle, Nutten und Polizisten (wegen der infamen Demonstranten, die alle wie Waldschrat aussehen). 
Erste Gesetzesentwürfe und Menschenversuche, die sich auf diese Studien berufen und deswegen wahr, richtig und nötig sind, sind schon auf dem Weg und manche sogar schon verabschiedet und umgesetzt. 

Die Ziele sind Wege

Wenn ich mir nicht ständig selbst im Wege stehen würde, ich wüsste gar nicht, wohin ich gehen könnte.

07.06.2010

An manchen Tagen...

...blicke ich auf die Welt und muss mich angewidert von ihr abwenden.

Was diese Menschen da heute beschloßen haben, meine Brüder und Schwestern noch weiter ausbluten zu lassen wie das letzte, elende Stück Vieh (und selbst das hätte das nicht verdient), so eine Schmach und ein Hohn, so ein direktes Schmutz in alles Essen werfen, ein Auslachen der Geschlagensten...ich hasse es und ich hasse mich dafür, aber ich finde diese Menschen und was sie angeblich sogar in meinem Namen beschloßen haben, widerlich, ich finde sie heute außerordentlich widerlich. Ich hasse es, Menschen widerlich zu finden. Es macht mir auch Angst, denn wenn ich mich nicht selbst beherrschen kann, muss ich es unterdrücken und dann kriege ich auch Angst, wenn es trotzdem so hervorbricht, wie heute, wo ich lese, wie das Soziale vergewaltigt wird wie der stinkende Leichnam einer elenden dreckigen toten Kuh, wie das Soziale, dass so etwas ganz anderes wäre für mich, als ein Staat, weil es Ethiken besitzt, die Staaten niemals haben können, wie das wegen billiger und billigster Wünsche einiger Wahnsinniger, die nicht mal mehr wissen, ob sie sich im Alter noch an irgendwas erinnern werden, wie diese Menschen da das alles so ausschlachten, aus niederen Machtinteressen oder Geldgier oder Eigentumswünschen, wie sie es einfach machen, wie man ins Gefängnis kommen würde, würde man sie nur kritisieren wollen, wie man vor das Gericht kommen könnte, würde man sie bloß Heuchler nennen, Lügner, niederste Diebe, unterirdischsten Instinkten nachgebend, unfähig zur Selbstbeherrschung, unwollend etwas zu verschönern, der Wille auszuschlachten was auszuschlachten geht, die Lust dabei noch ist die schrecklichste, das Soziale für solch eine Lust zu benutzen, es erscheint mir wie ein Albtraum, wie ein widerlicher Traum, ein Traum für den ich mich selbst hassen würde, wenn ich ihn geträumt hätte, weil ich mich verurteilen würde so etwas gedacht zu haben. Und dann lebe ich einem Land, wo Menschen das nicht nur gedacht haben, sondern gemacht. Nicht, dass ich es nicht erwartet hätte, aber es ist eine Sache, sich eine widerliche Schandtat vorzustellen und eine andere, zu sehen und zu wissen, dass sie Wirklichkeit geworden ist.
Aber wer weiß, vielleicht lässt es sich noch verhindern, dass es Wirklichkeit wird. Vielleicht lässt es sich sogar in etwas Schönes verwandeln, wobei ich nicht weiß, wer das wohl machen sollte; nicht, weil es keinen Menschen gäbe, der es könnte (das denke ich nicht), sondern weil diese Menschen schon seit längerer Zeit niemand mehr für wichtig hält, weil sie niemand mehr fragt, weil alle sie auslachen und wenn das Pech hinzukommt zu dem Unglück, dann werden diese Menschen vielleicht nicht mehr helfen, selbst wenn man sie darum bittet. Und von wo aus könnte man ihnen das noch verübeln? Aber von kaum irgendwo kommt der Schrei nach diesen Menschen, außer vielleicht von hier aus, aber das ist wie ein Dezibel bezogen auf den Raum des Universums und aller Universen, die da sind.
Niemand verlangt, dass jeder Tag schön sein soll, aber es wäre so angenehm, so schön, wenn nicht jeder Tag so niederdrückend wäre, so kontrolliert, so überwacht, so subjektiviert, so korsettiert, so unehrlich, so falsch gelächelt, so aus Versehen nicht gewusst, so absichtlich nicht zugehört, so bewusst nicht darauf eingegangen, so nebensächlich zur Seite gepackt, so alles hinausgeschoben auf die Zukunft, dass wir schon anfangen die Gegenwart zu verlieren und von der Vergangenheit wissen wir sowieso kaum noch etwas.
Alles verschwindet...

04.06.2010

Tischgespräche

Ich schätze und bin im Grunde entschlossen anzunhemen, dass Immanuel Kant Georges Bizet für einen Idioten gehalten hätte, bestenfalls für einen Künstler, der kein Genie hat (und was Kant von Genie erzählt ist...), weil Kant "das Gerede an den Tischen, die auch mal gesellig sein mögen" einfach nicht als das Verstanden hätte, was sie trotz Kant dennoch sind und immer waren.

Ich will sagen, ich finde Nietzsche hatte ganz richtig gelegt, als er meinte, Kant sei ein Idiot.