26.06.2010

Über Naivität

Es gibt eine bestimmte Form der Naivität, die ich sehr schätze, fast ehrfürchtig bestaunen würde, wenn nicht Ehrfurcht so ein merkwürdiger Begriff wäre. 

Es ist dies die Naivität eines Anfangs in einer Sache. Ein Anfang, von dem man bereits Gewißheit hat, dass er selbst naiv ist; wo das Verlassen diesen Anfangs, das Weiterschreiten von diesem Anfang beginnend, schon so wirken wird, dass, an welchem Ziel auch immer angelangt, man über die Naivität, die dann auch Dummheit ist, lachen wird müssen. Es ist eine Naivität, die nur an bestimmten Fragen aufzufinden sein kann, nämlich an jenen, die gerade keine ausreichende Antwort mehr finden können; und deren Unausreichend-haftigkeit man durch den Weg, den naiven Weg, welcher ebenso naiv ist wie der Punkt, von dem aus er angefangen wurde beschritten zu werden, nicht dem Ziele dient, die Antworten klarer werden zu lassen, eindeutiger, verbindlicher, sondern, wo gerade durch das Gehen des Weges die Antworten noch unklarer werden, noch uneindeutiger, noch unverbindlicher, sodass man am Ende, wenn die Fahrt zu Ende gekommen sein wird, sicher sein kann, dass das, was man beschritten hat, ein Weg gepflastert aus Trümmern sein wird, deren Lese man erst nach Beenden der Fahrt wirklich vollziehen kann. Und während man sich nun auf dieser Fahrt befindet, kommt sich noch dümmer, noch unwissender, noch näher an Nichts vor, als je zuvor; doch wenn man es erreicht hat, bewirkt hat, erwirkt hat, dass die Fahrt ein Ende gefunden hat (und ein Ende sind 20000 Anfänge), dann kann man mit einem noch größeren Erstaunen auf den zurückgelegten Weg blicken, als man am Anfang überhaupt für möglich gehalten hätte: und eben deswegen ist dieser Weg immer naiv, denn seine Spuren erscheinen nur dem Betrachter als das was sie sind, der den Weg beschritten hat: als das Mögliche der Dinge, als das, was vorher (wie selbstgewiß, wie naiv) für unmöglich gehalten wurde. Eben wegen dieser Möglichkeiten, die da an irrtümlich vermuteten Horizonten aufscheinen (und sei es nur für einen Augenblick), eben deswegen geht man den Weg, voller Naivität, nimmt allen Hohn in kauf, denn der zählt selbst zum Weg, zu diesem Weg, Mögliches denkbar werden zu lassen durch aufzeigen dessen, was so unklar ist, dass es zweifelhaft wird, ob es überhaupt jemals so exisitiert hat, wie man sich das bis zum Zeitpunkt des Anfangs des Weges (und der Anfang ist das leichteste) vorgestellt haben möge; wie es danach so nicht mehr vorstellbar ist; wie es schließlich zwingend wird, dass es sich anders vorgestellt werden muss, dass es sich neu vorgestellt, d.h. erfunden werden muss. 

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